Bremen ist … historisch
1.200 Jahre Tradition und Weltoffenheit prägen Bremen, die Hansestadt an der Weser. Die alte Handelsstadt mit ihrem historischen Zentrum rund um den Marktplatz verströmt das Flair einer jungen Großstadt. Und dennoch wird jeder, der sich mit offenen Augen auf Zeitreise begibt, Zeugen der langen Geschichte und jede Menge spannende Geschichten finden. In Bremen gibt es Häuser, die sich wie Perlen an einer Schnur aneinanderreihen, Esel, die einander „Guten Tag“ sagen, und Kathedralen, die unter sorgsamer Beobachtung stehen.
Unverwechselbar bleiben das prächtige Rathaus im Stil der Weserrenaissance und die ehrwürdige Figur des Roland auf dem historischen Marktplatz. Sie verkörpern seit 1404 den Bürgerwillen nach Unabhängigkeit. Rathaus und Roland stehen als einzigartiges Welterbe der Menschheit unter dem Schutz der UNESCO, doch auch der Schnoor – Bremens ältestes Stadtviertel –, die ungewöhnliche Architektur der traditionsreichen Böttcherstraße oder der Bremer Dom suchen ihresgleichen. Für einen Rundgang zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten ist nicht mal ein Stadtplan nötig. 2.000 Nägel aus Messing und Stahl führen vom Liebfrauenkirchhof über Marktplatz und Schnoor zur Böttcherstraße.
Anfangspunkt der Route ist das heimliche Wahrzeichen der Hansestadt. Mit dem Rücken zum Rathaus und dem Gesicht zum Liebfrauenkirchhof präsentiert sich die von Gerhard Marcks entworfene Bronzestatue der Bremer Stadtmusikanten. Das Märchen von den Sagengestalten ist in aller Welt bekannt und seit den Brüdern Grimm so eng mit Bremen verbunden wie Rathaus und Roland. Wer den Esel an den Beinen berührt, hat einen Wunsch frei. Doch die Geste will gelernt sein. Mit beiden Händen müssen Esels Beine leicht gerieben werden, sonst ist der Wunsch für die Katz’. Übrigens bedeutet die unkorrekte Variante, bei der nur eine Hand zum Einsatz kommt, aus Sicht der Bremer, dass sich zwei Esel „Guten Tag“ sagen.
Nur wenige Schritte von den Stadtmusikanten entfernt, ebenfalls an der Westseite des Rathauses, befindet sich der Eingang zum ältesten Weinkeller Deutschlands. Im Bremer Ratskeller schenkte der Kellermeister bereits seit 1409 edle Tropfen aus. Mit 650 verschiedenen Sorten beherbergt er die größte Sammlung deutschen Weins. In der großen Gewölbehalle, zwischen Säulen und Prunkfässern mundete es auch schon Berühmtheiten. Nicht nur Heinrich Heine ließ sich hier zu einem Gedicht inspirieren, auch Wilhelm Hauff verfasste seine Novelle „Phantasien im Bremer Ratskeller“ an Ort und Stelle.
Besonders stolz sind die Bremer auf ihr über 600 Jahre altes Rathaus. Seine Einzigartigkeit bestätigt seit 2004 das Welterbekomitee der UNESCO. „Das Rathaus und der Roland zu Bremen sind ein einzigartiges Zeugnis für die bürgerliche Autonomie und Souveränität, wie diese sich im Heiligen Römischen Reich entwickelten“, heißt es in dem Gutachten, das der Entscheidung zugrunde liegt. Darin wird für das Rathaus „die herausragende Form der Architektur der späten Renaissance in Norddeutschland, die so genannte Weser-Renaissance“ ausdrücklich gewürdigt.
Nicht zuletzt dieser Architekturstil macht das Rathaus zum Schmuckstück der „guten Stube“, wie die Bremer liebevoll ihren historischen Marktplatz nennen. In der oberen Rathaushalle, dem schönsten und repräsentativsten Festsaal Bremens, tagte früher der Stadtrat. Die Bedeutung von Handel und Schifffahrt zeigt sich bis heute an den Schiffsmodellen, die von der Decke hängen. Ihre Minikanonen konnten bei Feierlichkeiten sogar abgefeuert werden. Im 20. Jahrhundert wurde aus Platzgründen ein Anbau an das altehrwürdige Rathaus notwendig. Architekt Gabriel von Seidel schmiegte ihn dergestalt an das mittelalterliche Vorbild, dass die beiden Gebäude heute eine Einheit darstellen.
Nicht weniger imposant als das Rathaus ist der wenige Meter davor stehende Roland. Sein Vorgänger aus Holz fiel einem Brandanschlag zum Opfer. Denn als Zeichen der Macht der Kaufmannszunft und Symbol der Freiheit der Hansestadt war die Figur der Kirche stets ein Dorn im Auge. Ganz bewusst richtet er daher seinen Blick auf den erzbischöflichen Dom, um den Anspruch der bremischen Kaufleute auf die Stadtherrschaft zu untermauern. Aus Stein gemeißelt steht er nun seit über 600 Jahren auf dem historischen Bremer Marktplatz als „eine der ältesten und die repräsentativste der Roland-Statuen, die als Symbol für Freiheit und Menschheit errichtet wurden“, wie es im Gutachten des Welterbekomitees heißt.
An der Ostseite des Rathauses steht unter der strengen Bobachtung des Rolands der St. Petri-Dom zu Bremen, der mit seinen Türmen 99 Meter in die Luft ragt. Nach einem ungeschriebenen Gesetz soll in Bremen kein Gebäude errichtet werden, das höher als der Dom ist. Das überwiegend aus Sandstein erbaute Gotteshaus enthält romanische und gotische Elemente. Ein prägendes Detail der Doppelturmfassade ist das Rosettenfenster aus dem 13. Jahrhundert. Die im Rokoko-Stil gehaltene Kanzel kam als Geschenk der schwedischen Königin Christina im Jahr 1653 an die Weser.
Trotz der Vormachtstellung der Bremer Kaufleute ist der St. Petri-Dom bis heute eng mit der weltlichen Macht der Hansestadt verbunden. Nach dem Matthäusevangelium besitzt der Schutzpatron des Doms die Schlüssel zum Himmelreich. Einen davon machten sich die weltlichen Herren der Hansestadt an der Weser kurzerhand zu Eigen und so ziert der Petrusschlüssel bereits seit dem Mittelalter das Bremer Wappen.
Nur wenige Gehminuten vom Dom entfernt betritt man im ältesten Stadtviertel Bremens fast schon eine andere Zeit. Im Schnoor wird die Vergangenheit lebendig: Kleine, schmale Fachwerkhäuser aus dem 15. und 16. Jahrhundert reihen sich aneinander wie die Perlen an einer Schnur, plattdeutsch „Schnoor“. Eine andere Interpretation des Namens führt die Bezeichnung darauf zurück, dass in diesem Teil des alten Fischerquartiers die Taumacher wohnten. Zwischen den gegenüberliegenden Gebäudereihen bleiben oft nur schmale Gänge. Im Schnoor schlendern Besucher in unmittelbarer Nähe der Weser zwischen Goldschmiede- und Kunsthandwerk, ruhen sich in einem der zahlreichen Cafés oder Restaurants aus oder erwerben Mitbringsel aus der Hansestadt.
Lebendige Historie ist hier im Bremer Geschichtenhaus zu erleben. Ein Haus der Geschichten, die zu Bremen gehören wie das Rathaus und der Roland. Der freundliche Herr mit dem muschelverzierten Dreispitz am Eingang zum Beispiel – das ist Jakobus Major, an der Fassade in Holz zu bewundern, im Bremer Geschichtenhaus aus Fleisch und Blut. Er berichtet den Besuchern höchstpersönlich, warum die berühmte Pilgerreise nach Santiago de Compostela über Bremen ging. Vielleicht wird er die Gäste auch mit Heini Holtenbeen bekannt machen, dem sie beim Zigarrenmachen zuschauen können und der sie dann seinerseits der Fisch-Lucie vorstellt. Wer die berüchtigte Giftmörderin Gesche Gottfried kennenlernen möchte, sollte sich von ihr einen typisch bremischen Prüttkaffee aufgießen lassen – mahlen müssen die Besucher ihn allerdings mit einer alten Handmühle vorher selbst. Außerdem gibt es ein altes Handelsschiff zu navigieren, ein Kaufmannskontor zu bestaunen und vieles aus der Bremer Geschichte und der Geschichte des Schnoors in Erfahrung zu bringen.
Vom Schnoor aus sind es nur ein paar Meter flussabwärts entlang der Weserpromenade Schlachte zu einem einmaligen Kunst- und Architekturprojekt. In der Böttcherstraße lebten früher dem Namen entsprechend die Fassmacher, deren Berufsbezeichnung sich vom Ausdruck „Bottich“ für Fass herleitete. Heute ist die kleine Gasse das Zuhause von Kunst und Kunsthandwerk. Der Bremer Kaffeekaufmann Ludwig Roselius kaufte Anfang des 20. Jahrhunderts nach und nach die Häuser der verfallenen Straße und ließ sie zu einem architektonisch außergewöhnlichen und gleichzeitig einheitlichen Straßenzug restaurieren. Mit Hilfe der Architekten Bernhard Hötger, Eduard Scotland und Alfred Runge erreichte der Erfinder des koffeinfreien Kaffees sein Ziel: die Verbindung zwischen Marktplatz und Weser zu einer bewusst konzipierten Häusergruppe von architektonischer Bedeutung im Stilmix von Expressionismus und Backsteinbauweise zu gestalten. Eine Rückbesinnung auf die niederdeutsche Kultur in Sprache, Kunst und Kunsthandwerk war Roselius’ Idee und Ausgangspunkt.
Zu den Besonderheiten der Böttcherstraße gehört der drehbare Turm im Mauerwerk zwischen dem Haus des Glockenspiels und dem Roselius-Haus. Zum Klang des Glockenspiels zeigt er bekannte Ozeanbezwinger, womit Roselius auf den Pioniergeist der Hansestadt anspielt. Denn in Bremen entstand die erste Maschine, die von Ost nach West den Atlantik überflog, ein Flugzeug vom Typ Junkers W 33 namens „Bremen“. Eine andere Form von Pioniergeist verbirgt sich hinter dem ebenfalls in der Bremer Böttcherstraße gelegenen Paula-Modersohn-Becker-Haus: Es ist das erste Museum weltweit, das einer Frau gewidmet wurde. Dann gibt es noch die vielen kleinen Kunsthandwerkerbetriebe, wo sich die Künstler bei der Fertigung ihrer Produkte über die Schultern schauen lassen. Und nicht zuletzt die Lage der Straße zwischen Weser und Marktplatz macht die kleine Gasse zu einem Magneten für Touristen.
Zurück auf den Marktplatz: Gleich rechts vom Eingang zur Böttcherstraße und dem Rathaus direkt gegenüber residiert die Handelskammer im
Schütting. An der Front des im Renaissance-Stil entworfenen Gebäudes aus dem 16. Jahrhundert prangt der Leitspruch der Kaufleute: „buten un binnen, wagen un winnen“. Das plattdeutsche Motto verdeutlicht das Erfolgsrezept der Handelszunft, heißt es doch soviel wie „drinnen und draußen, wagen und gewinnen“. Im Zweiten Weltkrieg brannte das Gebäude bis auf die Umfassungsmauern nieder. Beim Wiederaufbau wurde die Außenfront in ihrer alten Form rekonstruiert, während die Innenräume neu gestaltet wurden. Übrigens eröffnete hier das erste Kaffeehaus im deutschsprachigen Raum und mit der Schankgenehmigung von 1673 ist Bremen auch die erste deutsche Stadt, in der Kaffee ausgeschenkt werden durfte.
Nur wenige Gehminuten vom Schütting entfernt steht die Bremer Stadtwaage, in der jeder Händler seine Waren wiegen lassen musste. Das 1586 bis 1588 von Lüder von Bentheim entworfene Gebäude ist ein Paradebeispiel für den Architekturstil der Weserrenaissance. Wie zahlreiche weitere Bauten der Hansestadt fiel auch die Stadtwaage dem Bombardement vom 6. Oktober 1944 zum Opfer. Aufgrund von Unstimmigkeiten über die Gestaltung verbirgt sich hinter der rekonstruierten Fassade heute ein Neubau, in dem die Günter-Grass-Stiftung sowie die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen ihren Sitz haben.
Auch abseits des Bremer Stadtkerns finden historisch Interessierte lohnende Ausflugsziele. Freunden der Kunst- und Kulturgeschichte bietet der Besuch des Focke-Museums eine ausgezeichnete Möglichkeit, in die Geschichte Bremens einzutauchen. Zu sehen sind Ausstellungsstücke aus der Vor- und Frühgeschichte des Bremer Raumes sowie dem frühen Mittelalter. Auch die Schifffahrt kommt nicht zu kurz. Das Programm wird ständig aktualisiert mit Themen zu Kunsthandwerk und Design sowie Fotografie und Kunst.
Weitere architektonische Kleinode finden sich im jüngsten Stadtviertel Bremens, der Überseestadt. Hier zeugt Speicher XI von der Wandlungsfähigkeit eines alten Lagerhauses. In dem alten Hafengebäude mit der historischen Backsteinfassade findet sich heute eine innovative Mischung aus Kunst, Kultur und Büroalltag. Neben der Hochschule für Künste beherbergt das längste Gebäude Bremens das Infocenter der Überseestadt, das Bremer Hafenmuseum sowie kreative Unternehmen. Ein anschauliches Beispiel für die lebendige Geschichte der Hansestadt.
Die Bremer Überseestadt insgesamt veranschaulicht, wie Vergangenheit und Gegenwart miteinander verschmelzen. Auf einer der größten Baustellen Europas entsteht hier mitten zwischen alten Hafengebäuden Bremens modernstes Arbeits-, Gewerbe-, Wohn- und Freizeitquartier. Neue Architekturen erheben sich neben umgestalteten alten Strukturen – das macht den Reiz der Gegensätze in der Überseestadt aus.
Mehr Informationen über Bremen und seine vielfältigen Angebote sind über das Service-Telefon der BTZ 04 21/30 800 10 oder im Internet unter www.bremen-tourismus.de erhältlich.